Frauenunion Waldshut zum Fachgespräch am Klinikum Hochrhein

26.02.2024

Wer als weibliche Person im Landkreis Waldshut wohnt, hat unter Umständen ein Problem. 

Denn die gynäkologische Versorgung ist auf einem Tiefstand. Jüngst trafen sich daher Vertreter verschiedenster Interessensgruppen im Klinikum Hochrhein, um sich auszutauschen.

50 Prozente der Gynäkologen im Landkreis Waldshut sind 60 Jahre und älter. Bundesweit liegt der Durchschnitt in dieser Altersgruppe jedoch bei lediglich 30 Prozent. Für Corinna Große, Kreisvorsitzende der Frauenunion, ein alarmierendes Zeichen, das sie und die CDU- Landtagsabgeordnete Sabine Hartmann-Müller dazu bewegt hat, zu einem Gesprächskreis ins Klinikum Hochrhein zu laden. Neben Vertretern der Ärzteschaft war auch die Kassen- ärztliche Vereinigung, , Klinikgeschäftsführer Dr. Hans-Peter Schlaudt sowie Vertreterinnen verschiedenster Interessengruppen geladen. Dabei verdeutlichte sich: die Situation ist alar- mierend. Denn weitere Praxen werden in Bälde schließen, ohne eine Chance auf einen Nach- folger. Von 14.5 möglichen Kassensitzen sind derzeit lediglich 10 besetzt. Dies hat zur Folge, dass viele Frauen keinen Gynäkologen mehr finden, auch dann nicht, wenn sie schwanger sind.
In ihrer Not suchen diese Frauen dann die gynäkologische Ambulanz des Klinikums auf, wie Dr. Eleonore Gisy, Chefärztin der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, zu berichten weiß. Al- lein im vergangenen Jahr waren dies 4300 Frauen. „80 Prozent dieser Patientinnen wären durch eine gute Praxisabdeckung versorgt gewesen“, so Gisy und führt aus, dass der An- drang in der Ambulanz zur Folge habe, dass die stationären Patientinnen untergingen. „Wir entwickeln uns in einen Bereich, wo ich sagen muss, meine Kernaufgaben im stationären Bereich kann ich nicht mehr vollumfänglich erfüllen. Das war früher anders.“
Im ambulanten Sektor spielt dabei ein weiteres Problem in die Thematik ein: Gynäkologin Dr. Birgit Steiner berichtet, dass auch die Suche nach Medizinischen Fachangestellten zu- nehmend schwieriger werde. „Im komplexen sozialen Gesundheitswesen fehlt es an Nach- wuchs in allen Bereichen.“ Doch auch die Patientinnen selbst tragen mit Sorge dafür, dass sich die Versorgung verschlechtert. „Zunehmend sagen Patientinnen Termine nicht ab, was zur Folge hat, dass in meiner Praxis an manchen Tagen fünf freie Termine zur Verfügung stünden, die jedoch auf die Stelle nicht nachbesetzt werden können“, so Steiner.

Anders als in den Zahnarztpraxen kann für das unentschuldigte Fernbleiben jedoch keine Gebühr er- hoben werden.

Komplex ist die Situation auch deshalb, weil es dem Krankenhaus an einer sogenannten In- stitutsermächtigung fehlt. „Viele der Frauen, die uns aufsuchen, kommen mit medizinischen Problemen, die wir nicht abrechnen dürfen. Das hat zur Folge, dass die Frauen in ihrer Ver- zweiflung anbieten, die Kosten selbst zu tragen“, erklärt Gisy und Hans-Peter Schlaudt führt aus, dass er bereits seit Jahren um eine Institutsermächtigung kämpfe. „Krankenhäuser müs- sen in Zeiten einer Mangelversorgung vollumfänglich ambulant tätig sein dürfen.“ Die CDU- Politikerin Hartmann-Müller ergänzt: „Eine zukünftige Instituts-Ambulanz-Abrechnung muss auch für medizinische Handlungen bei Assistenzärzten möglich sein.“
Kai Sonntag, Leiter der Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der KV Baden-Würt- temberg, verwies diesbezüglich auf die Rufnummer 116 117 unter der man auch gynäkolo- gische Termine zugewiesen bekomme. Aus dem Kreis der Anwesenden wurde ihm dazu ent- gegengehalten, dass hier eine zuverlässige Erreichbarkeit nicht gegeben sei.
Prof. Dr. med. Michael Faist, Berater der Kassenärztlichen Vereinigung, betonte indes, dass in Deutschland nicht zwingend ein Arztproblem – sondern ein Arztzeitproblem bestünde. „Es gibt kein anderes System, bei dem man sich kostenlos 24/7 rundum versorgen lassen kann. 4,5 Milliarden Euro stehen in Baden-Württemberg zur Verfügung, um diese Kosten zu decken. Wir haben ein Ressourcen-Allokationsproblem und betreiben Mangelverwaltung in der Daseinsfürsorge. Mein Appell an die Politik: Eine kostenlose Rundumversorgung ist nicht mehr möglich mit diesen Budgets.“ Faist bezog sich auf eine sehr komplexe Thematik im ambulanten Sektor. Denn das Geld, das Ärzte für die Behandlung von gesetzlich versi- cherten Patienten erhalten, ist nach oben hin begrenzt. Der Hausarzt erhält pro Patienten und Quartal einen Pauschalbetrag, unabhängig vom Umfang der Behandlung und von der Anzahl der Patientenbesuche. So liegt ein Patient bis 55 Jahre beispielsweise bei 15,80 Euro pro Quartal. Landtagsabgeordnete Hartmann-Müller sieht hier eine Reform der Butgetie- rung als sich aufdrängende Lösung: "In unterversorgten Gebieten leisten Ärzte Arbeit über ihr Budget hinaus. Diesen Mehraufwand bekommen sie wegen Budgetüberschreitung nicht adäquat oder gar nicht vergütet.“ Solche Budgetüberschreitungen treten in der Regel auf, weil zu wenige Arztstellen besetzt sind und diese wenigen Praxen zu viele Patienten versor- gen müssen.

„Als CDU-Landtagsfraktion machen wir uns für Bürokratieabbau stark. Durch Reduzierung des Verwaltungsaufwands könnten hier deutlich Kosten eingespart werden. Außerdem stößt dieser junge Ärzte ab, als Niedergelassene in ambulanten Praxen tätig zu werden,“ mahnt Sabine Hartmann-Müller an. Eine weitere Stellschraube läge außerdem bei der Nach- wuchsförderung. „Ein Registrieren der Medizinstudenten aus dem Landkreis muss daten- schutzrechtlich ermöglicht werden, um diese regional zu binden. Hier kommen beispiels- weise Förder- und Unterstützungsleistungen während des Studiums in Betracht, wenn sich die Studierenden im Gegenzug verpflichten, in den ländlichen Raum zurück zu kehren,“ so die Abgeordnete
Hartmann-Müller versprachdie Themen mit nach Stuttgart zu nehmen. „Es kann nicht sein, dass unsere Region bei der medizinischen Versorgung auf der Strecke bleibt. Hier sehe sie die Kassenärztliche Vereinigung, sowie Land und Bund in der Pflicht, finanzielle Entlastun- gen der niedergelassenen Ärzte zu prüfen und ihnen Instrumente an die Hand zu geben, ihre Zeit mehr dem Patienten zu widmen. „Eine Überlastung der Notfallambulanzen darf nicht die Konsequenz dieser Umstände sein,“ verdeutlicht die Abgeordnete. . Am Montag hat sich Hartmann-Müller daher mit einem Schreiben an Landesgesundheitsminister Lucha gewandt und für eine schnelle Lösung der vakanten Versorgungslage – auch vor dem Hintergrund der geschlossenen Notfallpraxen – geworben.