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Vorgeschichte der CDU Jestetten

Die Zentrumspartei war vor 1933 auch in Jestetten vertreten. Insbesondere wegen der personellen Konstanz ist die Geschichte des Zentrums in Jestetten Teil der Vorgeschichte der hiesigen CDU.

Leider ist die Quellenlage sehr dürftig; während der NS-Zeit ist wohl viel vernichtet worden. Erhalten haben sich einige Artikel aus dem Tagblatt vom Oberrhein zu Beginn der 1930er Jahre. Diese belegen die Unterstützung für Hindenburg als Kandidat der demokratischen Mitte bei der Reichspräsidentenwahl von 1932 und die kritische Auseinandersetzung mit dem heraufziehenden Nationalsozialismus.

Bestimmendes Thema zu dieser Zeit war die wirtschaftliche und somit auch politische Krise, in der sich das Zentrum als staatstragende Partei darstellte.

Einige Artikel aus dem Tagblatt vom Oberrhein sind deutlich beschädigt. Das ist nicht verwunderlich, wurden die Zeitungsexemplare doch als "Isolation" im Haus des späteren CDU-Gründungsmitglieds Augustin Breig verbaut, und erst ein Umbau brachte die Exemplare Jahrzehnte später wieder ans Tageslicht.

Titel vom Tagblatt vom Oberrhein, die Spuren der Zeit sind deutlich zu sehenzoom
Titel vom Tagblatt vom Oberrhein, die Spuren der Zeit sind deutlich zu sehen
 
 

Vortrag Dr. Ernst Föhr am 1. März 1931

Dr. Ernst Föhr war Landtags- u. Reichstagsabgeordneter. 1931 wurde er Vorsitzender der badischen Zentrumspartei und auch Fraktionsvorsitzender im badischen Landtag.

Am 1. März 1931 kam Föhr zu einem Vortrag nach Jestetten.

Einladung zum Vortrag von Dr. Ernst Föhr, Tagblatt vom Oberrhein, 26.2.1931zoom
Einladung zum Vortrag von Dr. Ernst Föhr, Tagblatt vom Oberrhein, 26.2.1931

Föhr hielt weitere Vorträge in der Umgebung, so dass der Inhalt zumindest grob bekannt ist. Im Mai und Juni 1931 referierte Föhr auch in den folgenden Orten:

3. Mai: Weilheim, Erzingen
10. Mai: Wutöschingen, Stühlingen
31. Mai: Luttingen, Oberlauchringen
21. Juni: Waldshut

Jestetten. Zentrumsversammlung. Den Sonntag „Reminiscere“ werden die Nationalsozialisten des Zollausschlußgebiets in ihrem Kalender schwarz anstreichen müssen. Am Nachmittag hielt das Zentrum im „Salmen“ eine aufklärende Versammlung ab, die … glänzend besucht war, … Mit überlegener Ruhe und Sachlichkeit behandelte in der Zentrumsversammlung der Reichs- und Landtagsabgeordnete Dr. Föhr in zweistündiger Rede die politischen und wirtschaftlichen Tagesfragen. Ausgehend von der wirtschaftlichen Notlage des deutschen Volkes, zeigte der Redner, daß nicht nur der Youngplan daran schuld sei, da es sich um eine Weltwirtschaftskrise handelt, die auch die Siegerstaaten schwer belastet. Nachdem die hauptsächlichst. Ursachen der Krise aufgezeigt worden waren, wurde zunächst darauf hingewiesen, was für die notleidende Landwirtschaft bereits geschehen sei und was in nächster Zeit für sie geschehen wird, wenn es nicht durch das unverantwortliche Fernbleiben der Deutschnationalen und Nationalsozialisten verhindert wird, wie dies auch bei anderen Sanierungsmaßnahmen, zu deren Erledigung ¾ der Abgeordneten zugegen sein müssen, leider der Fall ist. Allerdings wurde mit Recht betont, daß Hilfsmaßnahmen niemals einseitig zugunsten dieses oder jenes Standes getroffen werden können, sondern daß die Richtschnur das Wohl der Gesamtheit bilden müsse. Treffend wurden die haltlosen Phrasen zerzaust, mit denen die Nationalsozialisten, deren Abgeordnete wohl pünktlich die Diäten einsacken, aber keine Arbeit leisten, das Volk zu betören suchen. Man muß schier Mitleid haben mit der jugendlichen Truppe, die die nationalsozialistischen Führer zur Versammlung abgeordnet hatten, während sie selbst sich „heldenhaft“ der Verantwortung und Rechtfertigung entzogen, so harten wurden sie mitgenommen, nicht mit Schlagworten, sondern mit sachlicher unwiderleglicher Kritik. Die Hiebe saßen, darum zogen sie es vor, in der Diskussion zu schweigen bis auf den Zwischenruf „Zinsknechtschaft“, der vom Referenten dann glänzend beleuchtet wurde. … Unter begeisterter Zustimmung der Versammlung sprach darum der Vorsitzende des Zentrumsvereins dem Reichs- und Landtagsabgeordneten Dr. Föhr den Dank für seine durchaus sachlichen, mit reichem Tatsachenmaterial belegten Ausführungen aus, die Volksaufklärung im besten Sinne des Wortes waren.

(Tagblatt vom Oberrhein, 4.3.1931)

 
 
 

Der Föhr-Vortrag hatte einige Folgen. Im NS-Blatt "Oberbadische Zeitung" wurde Föhr angegriffen, weshalb im Tagblatt vom Oberrhein am 16. März eine Entgegnung zu diesen Angriffen gab.

Weiter gab es eine Verbindung zum in Jestetten lebenden Priester Georg Jäger, der auch das Jestetter Dorfbuch geschrieben hatte. Spätestens durch seinen Vortrag zu "Nie wieder Krieg" (22.2.1931, Tagblatt vom Oberrhein vom 26.2.1931) machte er sich bei den Nationalsozialisten unbeliebt; vielleicht lag es auch einfach daran, dass er im Vergleich zum Pfarrer Johann Braun das leichtere Opfer war. Im Tagblatt vom Oberrhein vom 5.3.1931 wehrte sich Jäger gegen die Angriffe in der NS-Presse.

Jäger hielt einen weiteren seiner Volksbildungsvorträge, diesmal zum Thema "Friedensarbeit" (8.3.1931, Tagblatt vom Oberrhein vom 12.3.1931). Wieder wurde Jäger in der "Oberbadischen" angegriffen, wobei der Angriff auch Ernst Föhr galt; ferner wurde gegen einen "geistigen Leiter des Zentrums im Zollauschlußgebiet" gehetzt. Am 17. März 1931 erschien die nächste Entgegnung Jägers mit seiner Klarstellung, insbesondere sei er nicht dieser "geistige Leiter".

Die weitergehenden Angriffe führten auch dazu, dass sich Pfarrer Johann Braun im Tagblatt vom Oberrhein vom 28.3.1931 vor Jäger stellte.

 
 

Hauptversammlung am 28. März 1931

Am 28. März 1931 führte die Zentrumspartei eine Hauptversammlung durch. Unter anderem wurde der Vorstand neu gewählt.

Der Bericht aus dem Tagblatt vom Oberrhein kommt dann etwas seltsam daher. Der einspaltige Artikel ist zwar knapp 100 Zeilen lang, berichtet aber fast nichts über den Inhalt der Hauptversammlung. Vielmehr beginnt der Artikel mit einer langen Betrachtung zu Religion, Glauben und Politik. Dann wird ohne Namensnennung auf die Angriffe der NS-Presse gegen den Priester  Dr. Georg Jäger eingegangen. Erst zum Schluss gibt es einen Hinweis auf die Vorstandswahl.

Dr. Georg Jäger war unter anderem deshalb ins Visier der NS-Presse gekommen, weil er in seinen Vorträgen zu "Nie wieder Krieg." zur Völkerverständigung aufgerufen hatte.

In packender Weise wurde der Nachweis erbracht, daß ein solcher Krieg unter allen Umständen ungerecht und unerlaubt ist, und daraus der Schluß gezogen, daß wir gegenüber der Kriegshetze, die vom nimmersatten Kapitalismus einerseits und vom nationalsozialistischen Chauvinismus andererseits ausgeht, mit allen Kräften für den Völkerfrieden arbeiten müssen. (Tagblatt vom Oberrhein, 26.2.1931)

Es ist unbekannt, wer diesen Artikel über die Hauptversammlung geschrieben hat. War es einer der Priester? Aber Pfarrer Braun als auch Georg Jäger hatten schon unter eigenem Namen publiziert, und Georg Jäger hatte auch abgestritten, "geistiger Leiter des Zentrums im Zollausschlußgebiet" zu sein.


Jestetten. Hauptversammlung des Zentrums. ...
Nun hat einer von ihnen es gewagt, vor einer Bewegung zu warnen, die im Widerspruch steht zu unserem Glauben. Darum begegnet man ihm jetzt in einer unerhörten Weise, wie wenn der ein Verbrecher wäre, der verlangt, daß man sich auch im öffentlichen Leben nach dem christlichen Glauben richten muß. Gott sei Dank sind aber auch in Jestetten noch Katholiken, die ihren Glauben nicht preisgeben wollen, der doch unser höchstes Gut auf dieser Erde ist. Sie wünschten deshalb, daß das Zentrum in Zukunft eine größere Tätigkeit entfaltet als bisher. In der letzten Hauptversammlung am 28. März haben sie zunächst den Vorstand neugewählt und erweitert. Dann wurde beschlossen, daß von jetzt ab regelmäßige Versammlungen abgehalten werden, die der Aufklärung dienen sollen. ...

(Tagblatt vom Oberrhein, 2.4.1931)

 
 
 

Vortrag von Anton Bausch am 10. Mai 1931

Am 10. Mai 1931 referierte der Landtagsabgeordnete Anton Bausch aus Waldshut zum Thema "Die heutige wirtschaftliche und politische Lage in Deutschland"; nachmittags gab es eine Veranstaltung in Lottstetten, am Abend dann in Jestetten.

Anton Bausch (1890-1940) war von 1929 bis 1933 Landtagsabgeordneter. Sein Sohn Hans Bausch (1921-1991) war von 1956 bis 1958 Abgeordneter im Landtag von Baden-Württemberg (CDU) und von 1958 bis 1989 Intendant des Süddeutschen Rundfunks in Stuttgart.

Der Bericht zum Vortrag in Jestetten ist auch deshalb bemerkenswert, da mit "Gemeinderat Werkmeister" auch ein Mitglied des Jestetter Zentrums genannt wird.

Einladung zum Vortrag am 10. Mai 1931, Tagblatt vom Oberrhein vom 8. Mai 1931zoom
Einladung zum Vortrag am 10. Mai 1931, Tagblatt vom Oberrhein vom 8. Mai 1931

Jestetten. Zentrumsversammlung. Im dichtbesetzten Nebenzimmer des "Salmen" fand am Sonntag abend die angekündigte Zentrumsversammlung statt. Hierbei sprach Herr Oekonomierat und Landtagsabgeordneter Bausch über "Die heutige politische und wirtschaftliche Lage in Deutschland". Gemäß der Struktur der Versammlung, die sich großenteils aus Landwirten zusammensetzte, verbreitete sich der Redner in der Hauptsache über agrarpolitische Fragen. In diesem Zusammenhang wurden dann die Zoll- und Finanzmaßnahmen der Reichsregierung eingehend gewürdigt. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise wurde als Weltkrise aufgezeigt, wobei, neben anderen Ursachen, besonders die sogenannte "Rationalisierung" eine große Rolle spielt. Redner ging auch u. a. auf die Bestimmungen der Notverordnungen ein, die sich besonders in den Gemeindeverwaltungen sehr stark auswirken. Im Verlaufe seiner beifällig aufgenommenen Ausführungen, bekannte sich Herr Abgeordneter Bausch auch zu einem gesunden Föderalismus. Die Diskussion nahm dann noch einige Zeit in Anspruch, wobei Angehörige des Bauern- und Arbeiterstandes sowie der Beamtenschaft zu Wort kamen. Der Herr Hauptreferent ging hierauf auf all die angeschnittenen Fragen in ausführlicher Beantwortung ein, worauf der Vorsitzende, Herr Gemeinderat Werkmeister, mit Worten des Dankes die Versammlung schloß.

(Tagblatt vom Oberrhein, 13.5.1931)


Lottstetten. Zentrumsversammlung. ... Herr Oekonomierat Abg. Bausch von Waldshut sprach über die wirtschaftliche und politische Lage in Deutschland, in ruhiger, aber entschiedener Weise und legte offen die Not und die Schwierigkeiten der Verhältnisse dar. An ein Eingreifen Amerikas, das übrigens selbst in ungünstiger Lage sich z. Zt. befindet, ist nicht zu hoffen, bevor die Präsidentenwahl dort getätigt ist. Wir müssen uns also auf 1932 trösten. Das Zentrum und die gegenwärtige Regierung, der Kanzler Brüning voran, hat sich bemüht, zu tun, was möglich ist, um der Lage Herr zu werden. Der Redner wies auch die Einwürfe der in die Diskussion eingreifenden Nationalsozialisten, welche ihr Programm anzupreisen suchten, wohl um den etwas gesunkenen Kurs der Aktion des Nationalsozialismus im Zollausschlußgebiet zu heben, energisch zurück. Wir lassen uns nicht irremachen.

(Tagblatt vom Oberrhein, 15.5.1931)

 
 
 

Anton Bausch war auch Ortsvorsitzender der Zentrumspartei in Waldshut. Wegen seiner politischen Aktivitäten wurde Landtagsabgeordneter Bausch von der NS-Presse angegriffen. Deshalb stellte sich die Waldshuter Zentrumspartei in einer Vorstandssitzung am 29. Mai 1931 hinter Bausch.

Die Zentrumspartei Waldshut stellt sich hinter den von der NS-Presse angegriffenen Landtagsabgeordneten Anton Bausch, Tagblatt vom Oberrhein vom 30. Mai 1931.zoom
Die Zentrumspartei Waldshut stellt sich hinter den von der NS-Presse angegriffenen Landtagsabgeordneten Anton Bausch, Tagblatt vom Oberrhein vom 30. Mai 1931.
 
 
 

Informationen zu Anton Bausch finden sich in Baden-Württembergische Biographien 2, 26-30; Otto B. Roegele schreibt aus Sicht des Sohnes Hans Bausch:

Der Vater war es, von dem Bausch schon als Kind Impuls und Richtung zum Politischen erhielt. Der Landesökonomierat Anton Bausch in Waldshut begnügte sich nicht damit, staatliche Vorschriften zu vollziehen, er wollte den Bauern seines Bezirks zeigen, wie sie ihre durch Grenzlage und Wirtschaftskrise vergrößerte Not überwinden könnten. So erlebte der kleine Hans die Dorfversammlungen mit, die Beratungen auf verschuldeten Höfen, die Gespräche mit mutlosen Bürgermeistern im Hotzenwald. In der Endphase der Weimarer Republik, die einem Dauerwahlkampf glich, zog der Vater in den Landtag ein, für die Zentrumspartei. Zur prägenden Erfahrung wurde, als dieser Mann, der so selbstlos für andere gewirkt hatte, von 16 Beamten der Sicherheitspolizei, Gewehr im Anschlag, aus der Wohnung geholt und in „Schutzhaft“ genommen wurde. Der Elfjährige brachte dem Vater das Mittagessen ans Gefängnistor und wußte von da an, was ein Verfolgter von seiner Mitwelt zu gewärtigen hat.

 
 
 

Politik aus dem Zollausschlussgebiet

Kommentar aus dem Tagblatt vom Oberrhein, 3.12.1931zoom
Kommentar aus dem Tagblatt vom Oberrhein, 3.12.1931

Der Kommentar aus dem Tagblatt vom Oberrhein vom 3.12.1931 kommt ebenfalls seltsam daher. Das beginnt mit "Aus dem Zollausschlußgebiet", was einen lokalen Bericht erwarten lassen würde. Tatsächlich kommt aber eine Abrechnung mit dem Nationalsozialismus an sich. Mit  "hochverräterischen Treiben" ist wohl der Umsturzplan "Boxheimer Dokumente" gemeint, und das führt dann zu folgender Aussage:

Alles, was man in der letzten Zeit von der Ausgestaltung des dritten Reiches erfahren hat, ähnelt ganz verzweifelt dem Bolschewismus. Die Bauern, die sich dem Nationalsozialismus anschließen, schaufeln sich selbst das Grab.
(Tagblatt vom Oberrhein, 3.12.1931)

Es ist unklar, wer diesen Kommentar geschrieben hat. Gab es einen "geistigen Leiter des Zentrums im Zollausschlußgebiet" (wie in der NS-Presse behauptet)? Und wer war es?

 
 
 

Generalversammlung am 27. Februar 1932 und Reichspräsidentenwahl

Bei der Reichspräsidentenwahl 1932 unterstützte die Zentrumspartei Hindenburg als Kandidaten der demokratischen Mitte. In allen Gemeinden des Zollausschlussgebiets wude für Hindenburg geworben.

Dies wurde auch in einem Kommentar im Tagblatt vom Oberrhein am 9. März 1932 begründet. Der Kommentar begann mit folgenden Worten:

Warum nicht den "katholischen" Hitler, sondern den "protestantischen" Hindenburg.

Es ist klar, warum das katholisch bei Hitler in Anführungszeichen steht. Zwar war Hitler katholisch getauft, aber durch die Anführungszeichen wird Hitler abgesprochen, wirklich Katholik zu sein. Der Kommentar nennt mehrere Gründe dazu, unter anderem dass er sich in seinem Buch "Mein Kampf" "in offenen Gegensatz zu den Glaubens- und Sittenlehren der katholischen Kirche stellt".

Eine andere Bedeutung haben die Anführungszeichen beim protestantischen Hindenburg, seine Konfession wird im Kommentar nicht in Frage gestellt. Vielmehr schreibt der Kommentator über das "positive Christentum" Hindenburgs, das ihn auch für Katholiken wählbar macht.

Anders formuliert, die Anführungszeichen bei Hindenburg sind ein Indiz für den Gedanken einer konfessionsübergreifenden Politik, der später zur Gründung der CDU geführt hat.

Einladung zu Wahl-Versammlungen, Tagblatt vom Oberrhein vom 5.3.1932zoom
Einladung zu Wahl-Versammlungen, Tagblatt vom Oberrhein vom 5.3.1932
Generalversammlung am 27. Februar 1932, Tagblatt vom Oberrhein, 1.3.1932zoom
Generalversammlung am 27. Februar 1932, Tagblatt vom Oberrhein, 1.3.1932
 
 
Artikel aus dem Tagblatt vom Oberrhein, 9.3.1932zoom
Artikel aus dem Tagblatt vom Oberrhein, 9.3.1932
 

Die Einladung zu Wahl-Versammlungen belegt mit Baltersweil und mit Lottstetten die Aktivitäten der Zentrumspartei im gesamten Jestetter Zipfel / Zollausschlussgebiet. Leider ist die Einladung beschädigt, der nicht lesbare Teil ist aber von anderen Einladungen her bekannt:

Thema in allen Wahlversammlungen:

    Warum wählen wir Hindenburg?

In diesen Versammlungen sind alle Mitglieder der Zentrumspartei und Hindenburgwähler freundlichst eingeladen.
Freie Aussprache nur für Einheimische. Auswärtige Agitationsredner werden nicht zum Wort zugelassen.
    Der Bezirksvorstand der Zentrumspartei.


Der Hinweis auf die "Auswärtige Agitationsredner" zeigt, dass die demokratische Mitte schon zu diesem Zeitpunkt durch die Rechte unter Druck gesetzt worden ist. Redner bei vielen dieser Veranstaltungen der Zentrumspartei war der Landtagsabgeordnete Anton Hilpert, der später von 1949 bis 1969 Mitglied des Bundestages war.

Am 4. April 1932 kam Reichs- u. Landtagsabgeordneter Dr. Ernst Föhr wieder zu Vorträgen nach Jestetten und Lottstetten, um für den zweiten Wahlgang Werbung für Hindenburg zu machen.

 
 

Generalversammlung am 22. Januar 1933

Am 22. Januar 1933 führte die Zentrumspartei Jestetten nochmals eine Generalversammlung durch. Im Artikel des Tagblatts vom 25. Januar 1933 fällt neben der positiven Stimmung noch auf, dass sehr viele Namen der Beteiligten genannt werden.

Sieben der genannten Personen werden 1946 die BCSV/CDU mitbegründen!


Jestetten. Generalversammlung der Ortsgruppe der Zentrumspartei. Am vergangenen Sonntagnachmittag fand im Saale des Josefshauses die Generalversammlung der hiesigen Ortsgruppe der Zentrumspartei statt, zu welcher der Bezirksvorsitzende, Herr Hauptschriftleiter Burth aus Waldshut, erfreulicherweise als Gast erschienen war. Der 2. Vorsitzende der Ortsgruppe, Herr Förster Schwarz, begrüßte den Bezirksvorsitzenden, die hochw. Geistlichkeit, einen alten Parteiveteranen, Herrn Kreisrat Maurer, der sich jetzt in Jestetten ansässig gemacht hat, sowie die Mitglieder der Ortsgruppe recht herzlich und erteilte zuerst dem Bezirksvorsitzenden das Wort zu einem Vortrag über die politische Lage. Herr Burth warf einen Rückblick auf die Ereignisse des verflossenen Jahres und zeichnete dann ein Bild der gegenwärtigen Lage Deutschlands in wirtschaftlicher, politischer und kultureller Hinsicht. Zum Schluß wies er darauf hin, daß die Zentrumspartei in der Erscheinungen Flucht der einzige ruhende Pol geblieben sei und daß sie in all den vielen Wahlen dem Ansturm von allen Seiten glänzend standgehalten habe. Er forderte die Zentrumsanhänger auf, auch im neuen Jahre treu und fest und einig und geschlossen zur sturmbewährten Zentrumspartei zu stehen. Die interessanten Ausführungen fanden lebhaften Beifall und wurden vom Versammlungsleiter herzlich verdankt. Es schloß sich daran eine lebhafte Aussprache, an der sich der Herr Pfarrer und der Herr Kaplan sowie Herr Gemeinderat Jehle und der Vorsitzende beteiligten. Der Referent gab in einem längeren Schlußwort erschöpfenden Aufschluß auf die gestellten Fragen. Darauf wurde die Tagesordnung der Generalversammlung sehr rasch abgewickelt. Der Schriftführer, Herr Bildhauer Fricker, erstattete einen gut ausgearbeiteten Tätigkeitsbericht, aus dem hervorging, daß die hiesige Ortsgruppe im verflossenen Wahljahr sehr eifrig gearbeitet hat. Darnach gab der Kassier, Herr Fritz Binkert, den Kassenbericht bekannt. Erfreulicherweise verblieb ein kleiner Ueberschuß in der Kasse. Es wurde deshalb beschlossen, dem kath. Gesellenverein als Anerkennung für seine eifrige Arbeit bei den Wahlen den Betrag von 10 RM. zu bewilligen. Der Vorsitzende sprach dem Schriftführer und Kassier den herzlichsten Dank für ihre außerordentlich rührige Tätigkeit aus und gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Ortsgruppe auch im neuen Jahre ihre bisherige Aktivität beibehalten möge. Darnach wurden die Neuwahlen des Vorstandes getätigt, die sehr flott vonstatten gingen. An Stelle des im vergangenen Jahres leider verstorbenen, sehr verdienten 1. Vorsitzenden, Gemeinderat und Kreisabg. Werkmeister, dem der Vorsitzende und der Schriftführer warme Worte herzlichen Gedenkens widmeten, wurde einstimmig sein bisheriger Stellvertreter, Herr Förster Schwarz, zum 1. Vorsitzenden gewählt. Zum 2. Vorsitzenden wurde ebenso einstimmig Herr Gemeinderat und Gipsermeister Jehle, gewählt. Der bisherige Schriftführer, Herr Bildhauer Fricker, und der Kassier, Herr Fritz Binkert, wurden ebenfalls einstimmig wiedergewählt. In den erweiterten Vorstand wurden ferner gewählt: Pfarrer Braun, Josef Abend, Ferdinand Sigg, Johannes Fricker, Josef Dannegger, Benedikt Aulfinger, Albert Weiß und Fräulein Lina Ganzmann. Der Bezirksvorsitzende sprach den Gewählten die herzlichsten Glückwünsche aus und gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß in der Ortsgruppe Jestetten eine so schöne Einigkeit zu beobachten sei. Er anerkannte dankbar, daß die Ortsgruppe im vergangenen Jahre so außerordentlich rührig und erfolgreich gearbeitet habe und wünschte, daß die Ortsgruppe auch im neuen Jahre unter ihrem neuen Führer mit der gleichen Rührigkeit und Schlagfertigkeit weiterarbeiten möge. Hierauf schloß der Vorsitzende die sehr anregend und harmonisch verlaufene Generalversammlung mit Worten herzlichen Dankes an den Bezirksvorsitzenden, an alle Diskussionsredner und die anwesenden Parteifreunde.

 
 
 

Auflösung 1933

Bei der Reichstagswahl vom 5. März errang die Zentrumspartei zwar wieder die meisten Stimmen in Jestetten und Altenburg, aber unter dem Druck der NS-Diktatur löste sich die Partei im Sommer 1933 auf. Damit war auch die Geschichte der Zentrumspartei im Jestetter Zipfel beendet.

Eine Beschreibung dieser Vorgänge findet sich in:

Karl-Hellmuth Jahnke, Erich Danner (Hrsg.):
Das Jestetter Dorfbuch
Altenburg und Jestetten in Geschichte und Gegenwart

Kunstverlag Josef Fink, 2001
ISBN 3-89870-039-9

Seiten 274-279


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